Wohl im Zusammenhang der Arbeit an dem großen Gruppenbild der vier Söhne Lindes entstand auch das Einzelporträt des Jüngsten, Lothar Linde (1899-1979), wie er mit roter Jacke auf grüner Wiese im Garten der Villa in der Ratzeburger Allee steht. Als das Gemälde für das Behnhaus erworben werden sollte, blickte Max Linde auf die Entstehung des Bildes zurück: Munch hielt viel von diesem Bildchen, das einem Temperamentsausbruch seine Entstehung verdankt, als er das Kind auf der grünen Wiese stehen sah. Er hatte vorher die Holzplatte mit weißem Grunde überzogen und die Farbe der grünen Wiese dünn aufgetragen, sodass der weiße Grund zwischen den Pinselstrichen etwas hervortrat und so das Leuchten und Gleißen der Sonne auf den Gräsern sichtbar wurde."
Auch der Dargestellte erinnerte sich gut an die Begegnung mit Munch: Obwohl wir Kinder noch klein waren, als der Maler in unserem Haus weilte, blieb der Eindruck seiner Persönlichkeit unvergesslich haften: seine hohe Gestalt, sein Wesen, das ehrfurchtsvolle Scheu einflößte." In Munchs Bildnis ist Lothar Linde nun allerdings ganz ohne .ehrfurchtsvolle Scheu" dem Betrachter gegenübergestellt. Sein roter Mantel verleiht dem kleinen Jungen in Form und Farbe eine deutliche Präsenz. Die Grüntöne der Wiese bilden in fast flirrendem Komplementärkontrast einen effektvollen Hintergrund. Der gelbe Strohhut in der rechten Hand und die zur Seite gestreckte linke lassen den Jungen fast die gesamte Bildbreite ausfüllen. Seine Füße scheinen tief im hohen Gras zu stecken. Mit kleinen Knopfaugen und einem kindlichen Lächeln blickt er den Betrachter direkt an. Munch gelang auch in diesem Bild aus dem Hause Linde eine eindrucksvolle Charakterstudie.